Digitaler Nachlass: Facebook darf Mutter den Zugriff auf Chat der toten Tochter verweigern

Berliner Kammergericht gibt Fernmeldegeheimnis den Vorrang

In erster Instanz hatte die Mutter noch gegen Facebook gewonnen. Sie will wissen, ob der Tod ihrer 15jährigen Tochter, die von einer einfahrenden U-Bahn tödlich erfasst worden war, ein Suizid oder ein Unfall war. Anhaltspunkte erhofft sie sich aus der Facebook-Kommunikation ihrer Tochter. Doch das Unternehmen verweigert den Zugang zu den Daten. Das darf es, meint das Berufungsgericht (KG, Urteil vom 31.05.2017, Az 21 U 9/16).

Kern der Auseinandersetzung ist das ungeklärte Verhältnis von Erbrecht und dem Fernmeldegeheimnis. Darunter fallen auch Inhalte, die auf Facebook-Servern liegen, wobei es im vorliegenden Fall vor allem um den Schutz der Facebook-Nutzer geht, mit denen die Tochter kommunizierte. Diesem Fernmeldegeheimnis steht das Erbrecht gegenüber. Vieles spricht dafür, dass der Facebook-Account in den Nachlass fällt und deshalb der Erbe in die Position des Verstorbenen eintritt, wie dies bei „nicht digitalen“ Verträgen der Fall ist. Das Gericht lässt offen, wie es diese Frage beurteilt, denn das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) gehe in jedem Fall vor.

Das Urteil wirft Fragen auf. Irgendwie passen digitale und analoge Welt noch nicht zusammen: Niemand stellt ernsthaft in Frage, dass die Briefe, die sich im Nachlass befinden, von den Erben gelesen werden dürfen. Das Fernmeldegeheimnis greift auch nicht, wenn elektronische Korrespondenz auf dem Computer gespeichert ist, der in die Erbmasse fällt. Das Kammergericht verweigert den Zugriff einzig aus dem Grund, dass sich die Daten auf dem Server eines privaten Diensteanbieters befinden. Ob das als Abgrenzung reicht, wird der Bundesgerichthof entscheiden. Die Revision ist zugelassen, weil eine grundlegende Rechtsfrage zu klären ist.