Familienrecht: Das Gutachten in Kindschaftssachen (Teil 2 von 2)

Und was macht der Sachverständige?

Ganz wichtig: Das Familiengericht darf dem Gutachten nicht die Entscheidung über das Verfahren überlassen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, gerät aber manchmal aus dem Blick. Ein psychologisches Sachverständigengutachten ist vom Grunde her nichts anderes als ein Gutachten zum Schaden beim Baumangel. Es geht um die Beantwortung einer konkreten Beweisfrage. Es ist gerade nicht Aufgabe des Sachverständigen, komplexe Sachverhalte zu ermitteln und sich so eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen. Das Gericht muss die zentrale Frage, was dem Kindeswohl dienlich ist, selbst beantworten. Eine Beweisfrage etwa des Inhalts „Welche Umgangsregelung ist am besten für das Kind?“ wäre rechtswidrig. Dagegen wehren können sich betroffene Eltern jedoch nur schwer. Rechtsmittel gibt es nicht. Als Ausweg bleibt nur, die Begutachtung zu verweigern. Ob das zielführend ist, bedarf aber der sorgfältigen Abwägung.

Die Begutachtung darf den Richter nicht ersetzen.

Wenn der Sachverständige an die Arbeit geht, formuliert er nach dem Aktenstudium die Beweisfrage in psychologische Fragestellungen um. Er stellt einen Untersuchungsplan auf. Dieser beinhaltet typischerweise Gespräche mit den Eltern und dem Kind, eventuell auch mit Erziehern bzw. Lehrern oder mit weiteren Bezugspersonen. Regelmäßiger Bestandteil sind auch Interaktionsbeobachtungen, also die Betrachtung, wie die Eltern mit dem Kind und umgekehrt umgehen. Die Psychologen machen verschiedene standardisierte Tests mit den Kindern, angepasst an das Alter und die konkrete Fragestellung.

Als Besonderheit im Familienrecht gibt es das lösungsorientierte Gutachten, wo der Gutachter zusätzlich zur Beantwortung der Beweisfrage (rechtswidrig wird diese Haupaufgabe nicht selten übergangen) versucht, mit den zerstrittenen Eltern eine Lösung zu erarbeiten. Es kann zu guten Ergebnissen führen, verkennt aber die eigentliche Aufgabe des Sachverständigen.

Nach mehreren Monaten legt der Sachverständige dann sein Gutachten vor. Der Umfang beträgt typischerweise 60 bis 80 DIN A4-Seiten. Im Nachgang wird der Sachverständige oft geladen, um sein Gutachten noch mündlich zu erörtern, bevor das Gericht dann seine Entscheidung trifft.