Der Versuch, Leiden zu beenden führt zum Verlust der Erbschaft — Fehlende Patientenverfügung zieht Strafverfolgung nach sich.

Seit fünfzehn Jahren hat die Ehefrau Alzheimer, seit 10 Jahren lebt sie in einem Pflegeheim, seit 9 Jahren wird sie über eine Magensonde künstlich ernährt, eine verbale Kommunikation ist schon lange nicht mehr möglich. Der Ehemann ist rechtlicher Betreuer, wurde über die Situation depressiv und hat einen Selbstmordversuch hinter sich. Er hält es nicht mehr aus und schneidet den Schlauch zur Magensonde mit einer Schere durch. Nach erfolgreicher Rettung stirbt die Frau bald an einer Lungenentzündung. Strafrechtlich ist das ein Totschlag (minderschwerer Fall). Erbrechtlich begründet der Tötungsversuch Erbunwürdigkeit. Der Ehemann sollte Alleinerbe sein. Er geht leer aus, weil das Gesetz bei Erbunwürdigkeit so tut, als ob der Erbe nicht leben würde. Nur die drei Kinder erben.
Diesen tragischen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden (Urteil vom 11.3.2015 – IV ZR 400/14). Der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen ist nur zulässig, wenn der Betreuer eine Genehmigung des Betreuungsgerichts einholt oder eine Patientenverfügung vorliegt. Beides fehlte. Die Erbunwürdigkeit ist die zwingende Folge des Totschlags (oder seines Versuchs). Die nachvollziehbare Motivation, das Leiden zu beenden, ist ohne Bedeutung. Das Gesetz will nicht, dass jemand erbt, der das Leben eines anderen in strafbarer Weise beendet hat. Eine Ausnahme gibt es nur bei der Tötung auf Verlangen, die hier nicht vorliegt. Die Frau konnte sich nicht mehr äußern.
Der Griff zur Schere ist sicherlich die Ausnahme; die Erbunwürdigkeit beschäftigt Gerichte auch eher selten. Aber einmal mehr wird deutlich, wie wichtig eine Patientenverfügung ist, vor allem wenn eine schwere Krankheit diagnostiziert oder das Seniorenalter erreicht ist.