Wer zuerst kommt, mahlt nicht zwingend zuerst
Nicht nur in privatschriftlichen Vorsorgevollmachten, sondern auch in notariellen liest man häufig, dass der Vollmachgeber mehrere Bevollmächtigte einsetzt. Diese dürfen regelmäßig unabhängig voneinander tätig werden – anderenfalls wäre eine reibungslose Vertretung auch kaum möglich. Allerdings regelt der Vollmachtgeber das Innenverhältnis zwischen den Bevollmächtigten häufig nicht.
Und so könnte, wenn die Bevollmächtigten sich nicht einig sind, der eine auf die Idee kommen, doch die Vollmacht des anderen einfach zu widerrufen. Die Begründung lautet dann vermutlich: Eine unbeschränkte Vollmacht enthalte auch ein Widerrufsrecht. Nach dieser Argumentation wäre aber bei Uneinigkeit ein Wettlauf, wer zuerst die dem anderen erteilte Vollmacht widerruft, die notwendige Konsequenz.
Doch dies dürfte der Vollmachtgeber kaum gewollt haben, was auch die Rechtsprechung – zumindest das Oberlandesgericht Karlsruhe – so sieht. Dieses hat in seinem Beschluss vom 24.01.2022 (Az. 10 W 8/21) ausgeführt, dass bei einem Widerruf die gegenseitige Kontrolle verloren ginge. Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass gerade, wenn eine Widerrufsmöglichkeit besteht, sich die Bevollmächtigten vom jeweils anderen kontrolliert fühlen und kooperieren müssen. Dieses Ziel kann aber auch ohne Widerruf erreicht werden. Denn wenn die Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Bevollmächtigten zu einer Gefährdung der Versorgung des Vollmachtgebers führen, kommt das Gericht ins Spiel: Es kann eine Kontrollbetreuung installieren. So weit lassen es aber die Wenigsten kommen.
Wenn also ein Bevollmächtigter die Vollmacht des anderen widerruft, ohne hierzu vom Vollmachtgeber konkret ermächtigt zu sein, ist dieser Widerruf unwirksam. Die Vollmacht deckt dieses Verhalten nicht.