Es ist tragisch, kommt aber Gott sei Dank eher selten vor: Ein Arbeitnehmer stirbt vor dem Eintritt ins Rentenalter. Oftmals geht eine längere Krankheit voraus, die mit langen Fehlzeiten verbunden ist. So sammeln sich über die Monate und manchmal Jahre ganz erhebliche Urlaubsansprüche an. Bislang war in Deutschland anerkannt, dass nicht genommener Urlaub mit dem Tode verfällt. Der Europäische Gerichtshof sieht es anders und hat Mitte Juni 2014 festgestellt, dass die Erben einen Anspruch auf Abgeltung des nicht genommen Urlaubs haben (Aktenzeichen C‑118/13 vom 12. Juni 2014). Im konkreten Fall ging es um 140,5 Urlaubstage. Nationale Gesetze oder „Gepflogenheiten“, wonach der Urlaubsanspruch „untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet“, seien mit dem EU-Recht nicht vereinbar, befanden die höchsten EU-Richter. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub sein „ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts.“
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setzt damit seine arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung fort. Mit der sog. „Schultz-Hoff-Entscheidung” aus dem Jahr 2009 hatte er geurteilt, dass Urlaub bei Krankheit nicht verfällt. Was den Arbeitnehmer bzw. seine Erben freut, stellt für Arbeitgeber eine hohe finanzielle Belastung dar. Sie tragen nicht nur die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sondern müssen Urlaub abgelten oder gewähren, mit dem sich der Arbeitnehmer von der Arbeit erholen soll, die er aufgrund von Krankheit nicht geleistet hat. Eine solche Rechtsprechung führt dazu, dass dem Arbeitgeber anzuraten ist, langzeitkranke Arbeitnehmer zu kündigen, um nach deren Tod oder Rückkehr nicht erheblichen finanziellen Forderungen ausgesetzt zu sein. Zwar hat der EuGH in der sog. KHS-Entscheidung „Schultz-Hoff“ relativiert. Die nun vorliegende Entscheidung kennt aber keine zeitliche Begrenzung, so dass das Risiko schwer kalkulierbar bleibt. Die Erben sollten sich hingegen erkundigen, wieviel Urlaub der Verstorbene angesammelt, aber noch nicht bekommen hatte.