Erbrecht: Wenn der Erblasser den Schlusserben bewusst prellen will

Ein möglicher Rettungsanker beim Pflichtteilsverzicht

In unserem Beitrag vom 25.04.2021 hatten wir Möglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten aufgezeigt, wenn sich der Erblasser arm geschenkt hat, nicht gegen den Erben vorzugehen, sondern gegen den Beschenkten. Wir erleben in der Praxis aber immer wieder, dass ein Kind zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem einen Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen hat. Dies geschieht häufig im Zusammenhang mit einem sogenannten Berliner Testament, in dem sich Eheleute gegenseitig als Erben einsetzen und Kinder als Schlusserben. Um dann zu vermeiden, dass sich der überlebende Ehegatte als Alleinerbe mit Pflichtteilsansprüchen der Kinder konfrontiert sieht, wird auf diese in einem notariellen Vertrag verzichtet – und immer wieder auch ohne Abfindung. Oft ist den Kindern hierbei nicht bewusst, dass sie damit auch auf Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgrund von Schenkungen verzichten, wenn nichts anderes geregelt ist. Dann kommt es dazu, dass der überlebende Ehegatte Schenkungen vornimmt, und wenn das Kind bei seinem Tod dann schließlich erbt, ist nicht mehr viel übrig. Etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche sind ausgeschlossen.

Benachteiligungsabsciht als Rettungsanker beim Pflichtteilsverzicht // Bild von Frauke Feind auf Pixabay

In diesem Fall lohnt es sich zu prüfen, ob der Schenker die Zuwendungen in der Absicht vorgenommen hat, das Kind durch eine Aushöhlung des Nachlasses zu benachteiligen. Es sollte sich dokumentieren lassen, dass es zu einem Zerwürfnis zwischen Elternteil und Kind kam und ersterer ein Interesse daran hatte, dass das Kind möglichst wenig aus dem Nachlass erhält. Wenn der Erblasser kein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte, zum Beispiel versorgt zu werden, kann das Kind einen Anspruch aus § 2287 BGB darauf haben, dass der Beschenkte ihm das Geschenk herausgibt. Dies gilt zwar für jeden Schlusserben eines Berliner Testaments oder Vertragserben bei einem Erbvertrag, wenn das Kind aber vorher auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet hast, ist dieser Weg unter Umständen die einzige Möglichkeit, überhaupt etwas zu bekommen.