Generalanwalt am EuGH sieht Diskriminierung
Ehemann und Ehefrau schlossen 1999 in Syrien die Ehe nach islamischem Recht. Beide haben die syrische und mittlerweile auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Aktuell leben beide in Deutschland. Im Mai 2013 entscheidet sich der Mann, dass er sich scheiden lassen möchte. Hierzu lässt er durch einen Bevollmächtigten vor einem geistlichen Schariagericht die Scheidungsformel aussprechen. Dieser Ausspruch ist (nur) für den Mann ausreichend, um die Scheidung herbeizuführen. Für die islamische Ehefrau ist es deutlich komplizierter.
Das syrische Gericht stellt am Folgetag fest, dass die Ehe geschieden ist. Die Ehefrau erhält rund 15.000,00 € und bestätigt, dass der Ehemann alle Leistungen erbracht hat, die sie beanspruchen kann. Im Oktober 2013 beantragt der Ehemann bei der deutschen Justizverwaltung die Anerkennung der ausländischen Scheidung. Dies akzeptiert die Ehefrau nicht, und schließlich liegt der Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Hier unterbreitet der Generalanwalt den Vorschlag, die syrische Scheidung auf Grundlage der Scharia nicht anzuerkennen (Az. C-372/16 – Sahyouni). Er nennt dafür zwei wesentliche Gründe: 1.) In formeller Hinsicht sei dies nicht möglich, weil die Ehe nicht durch ein Gericht geschieden worden sei, sondern durch die Kündigung einer Partei. Darauf sei die Europäische Verordnung 1259/2010 (sog. Rom III-Verordnung) gar nicht anwendbar. Und für den Fall, dass der EuGH hier zu einer anderen Auffassung gelangen sollte, wäre 2.) deutsches Scheidungsrecht anzuwenden: Das ausländische Recht diskriminiere die Ehefrau aufgrund ihres Geschlechts so schwerwiegend, dass es nicht zur Anwendung gelangen könne. Eine Einwilligung der Ehefrau sei unerheblich, weil der Diskriminierungsschutz nicht verzichtbar sei.
Noch steht die Entscheidung des EuGH aus, doch folgt das Gericht in den meisten Fällen der Meinung des Generalanwalts.