Bundesgerichtshof lässt Gesetz prüfen
Syrien in Februar 2015: Ein 21-jähriger Syrer heiratet ein 14-jähriges Mädchen. Über die Balkanroute geht es nach Deutschland, wo die beiden im August 2015 ankommen. Nach der Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung nimmt das Jugendamt das Mädchen/die Ehefrau in Obhut und bringt sie in einer Hilfeeinrichtung für weibliche unbegleitete Flüchtlinge unter. Wegen der Minderjährigkeit ordnet das Familiengericht die Vormundschaft an. Das Jugendamt wird zum Vormund bestellt. Der Ehemann ist damit nicht einverstanden und zieht vor Gericht.
Im Juli 2017 ist in Deutschland das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen in Kraft getreten. Danach dürfen nur Volljährige heiraten. Bei Ausländern gilt die Ehemündigkeit des Heimatstaates, allerdings ist die Ehe nach deutschem Recht unwirksam, wenn ein Beteiligter (typischerweise die Frau) noch nicht 16 Jahre alt ist.
Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 292/16) ist davon überzeugt, dass diese Schutzvorschrift gegen das Grundgesetz verstößt. Er vertritt die Auffassung, dass es eine Prüfung des Einzelfalls geben müsse. Nur so sei der von der Verfassung angeordnete Schutz von Ehe und Familie, die Wahrung der Menschenwürde und der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit garantiert. Teilt das Verfassungsrecht diese Auffassung, wäre die Bestellung des Vormunds rechtswidrig, weil eine wirksame Ehe der Vormundschaft entgegensteht.
Für den konkreten Fall wird die Entscheidung des Verfassungsgerichts keine Auswirkungen mehr haben, denn die Ehefrau feierte am 01.01.2019 ihren 18. Geburtstag. Dann kann sie ihren Ehemann entweder auch nach deutschem Recht heiraten oder die beiden leben ohne Trauschein zusammen. Irgendwann wird Karlsruhe dann entscheiden, ob sie schon die ganze Zeit verheiratet waren oder nicht.