Sorgerechtsentziehung: Verfassungsgericht stellt hohe Hürden auf. Erhebliche Schädigung des Kindes muss mit ziemlicher Sicherheit voraussehbar sein

Nicht alle Eltern sind in der Lage, so für ihre Kinder zu sorgen, dass diese eine gesunde und glückliche Kindheit verbringen. Es gibt die spektakulären Fälle, in denen Kinder die Nachlässigkeit ihrer Eltern mit dem Leben bezahlen. Doch wo liegt die Grenze, ab der Jugendämter und Gerichte den Eltern die Kinder wegnehmen dürfen? Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich die hohen Hürden bekräftigt, die das Grundgesetz aufstellt (Beschluss vom 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14).

Ein Ghanaischer Asylbewerber und eine Frau mit gravierenden psychischen Erkrankungen haben ein gemeinsames Kind, das in einer Pflegefamilie untergebracht ist. Die Trennung erfolgte bereits während der Schwangerschaft. Das Amtsgericht entzog beiden Eltern die Sorge, das Oberlandesgericht bestätigte dies. Die Mutter hat sich damit abgefunden, auch ihre vier älteren Kinder leben nicht bei ihr. Der Vater hat die Entscheidung jedoch nicht akzeptiert und das Bundesverfassungsgericht angerufen – und Recht bekommen.

Artikel 6 des Grundgesetzes legt fest, dass Kinder von der Familie nur getrennt werden dürfen, „wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.“ Dies setzt eine nachhaltige Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls voraus. Dazu muss bereits ein Schaden des Kindes eingetreten oder eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehbar sein. Ein Sachverständigengutachten, auf das sich die Familienrichter gestützt hatten, reichte dem Verfassungsgericht nicht. Wenn Erziehungsdefizite und ungünstige Entwicklungsbedingungen die erhebliche Kindeswohlgefährdung begründen sollen, bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung und Abwägung. Das Oberlandesgericht muss nun erneut entscheiden.