Familienrecht: Die Düsseldorfer Tabelle 2022 ist da!

Für Gutverdiener wird es teurer – aber weniger als erwartet.

Mitte November 2021 hatten wir einen Ausblick gewagt – und so ist es auch eingetreten. Das leicht auf 5.460 € / Jahr gestiegene Existenzminimum wirkt sich auf den Unterhalt aus. Der Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle 2022 liegt für die mittlere Altersstufe (6 bis 11 Jahre) bei monatlich einem Zwölftel hiervon. Das sind 455 €. Für die kleineren Kinder sind es dann  396 €. Kinder ab 12 Jahren haben einen Anspruch auf 533 €. Das ist eine Erhöhung von drei bis fünf Euro pro Monat. Der Selbstbehalt von 1.160 € steigt hingegen nicht an. Damit ist erst 2023 zu rechnen. Auch der Bedarf von Studierenden ist unverändert. Hier weist die Tabelle einen Betrag von 860 € aus, wovon 375 € zu den Wohnkosten zählen.

Düsseldorfer Tabelle 2022
Alle Jahre wieder – Die Düsseldorfer Tabelle mit Auswirkungen auf die familienrechtliche Praxis

Düsseldorfer Tabelle endet nun bei 200 % – keine lineare Fortschreibung

Neu und wichtig sind die Entwicklungen am oberen Ende der Tabelle. Im Einklang mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2020 (Aktenzeichen XII ZB 499/19) wird die Tabelle bis zum Einkommen von 11.000 € verlängert. Bislang mussten Kinder, die mehr als 160 % des Mindestunterhalts wollten, nachweisen, dass erhöhter Geldbedarf besteht. Das ist aufwändig und kommt in der Praxis eher selten vor. Betroffen hiervon waren barunterhaltspflichtige Eltern, deren Nettoeinkommen bei über 5.500 € / Monat liegt.  Entsprechend der Aussage des BGH, dass Kinder nicht am Luxus ihrer Eltern teilhaben müssen, wird die Tabelle jedoch nicht einfach linear fortgeschrieben. Die Düsseldorfer Richter haben sich entschlossen, die Grenze bei 200 % zu ziehen, die über fünf Einkommensstufen erreicht werden. Bei einem Einkommen von z.B. 7.500 € sind zukünftig in den drei Altersstufen 729 €, 838 € bzw. 981 € zu zahlen.

Gutverdienende Eltern sollten nun überprüfen, ob ihr Unterhalt die Sätze der Tabelle nicht übersteigt. Kinder, die bislang 160 % des Unterhalts bekommen, sollten sich die letzte Auskunft der Eltern anschauen und eine Anpassung des Unterhalts verlangen.

Trennungsunterhalt: Das Ende der Siebtel-Regelung

Im Unterhaltsrecht könnte es eine bundesweite Vereinheitlichung geben, wenn als Oberlandesgerichte mitziehen. Bislang gab es zwei verschiedene Arten, beim Trennungsunterhalt den sog. Erwerbstätigenbonus zu berechnen. Einige Gerichte haben ihn mit 1/7 angesetzt, andere Gerichte mit 1/10. Am Brandenburgischen OLG waren sich sogar die Familiensenate uneinig. Bei Verfahren aus dem Bereich Potsdam galt letzteres, bei Verfahren aus Nauen und Falkensee fand das 1/7 Anwendung, so auch in Berlin. Nun ist die Düsseldorfer Tabelle von 1/7 abgekehrt und es gilt überall die 10 %-Regel. Ob sich alle Oberlandesgerichte und alle Senate daran halten, bleibt abzuwarten. Zu wünschen wäre es.

Abrufbar ist die Düsseldorfer Tabelle 2022 hier.

„Mehr Fortschritt wagen“ – auch im Familienrecht?

Ein erster Blick in den Koalitionsvertrag der „Ampel“

Vor der Wahl hatten wir Ihnen die Wahlprogramme vorgestellt (Links siehe unten). Jetzt wissen wir, was daraus geworden ist. Auf den Seiten 101 und 102 des Koaltionsvertrages finden sich Ideen, mit dem die Koalition ihr Ziel „das Familienrecht [zu] modernisieren“ erreichen will.

Patchwork-Verbindungen sollen gestärkt werden. Bislang kennt das BGB das „kleine Sorgerecht“ für Entscheidungen des täglichen Lebens. Es hat wenig Bedeutung, da es nur für den Ehegatten des alleinsorgeberechtigten Elternteils gilt. Etwas Vergleichbares soll es pro Kind für bis zu zwei Erwachsene geben. Eine Verantwortungsgemeinschaft soll eine Alternative zur Ehe werden. Im Wahlprogramm hatte die SPD auf den französischen PACS als Vorbild verwiesen.

Die franzöische Verantwortungsgemeinschaft heißt PACS. Und das Verb dazu heißt „se pacser“

Sprengstoff und Gerechtigkeit steckt im Plan, „im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile“ besser zu berücksichtigen. Heute ist der Unterhaltsanspruch unabhängig von der Frage, ob der zahlungspflichtige Elternteil das Kind gar nicht betreut oder das Kind in einem Zeitraum von 14 Tagen sechs Tage bei ihm ist. Und außerdem noch die Hälfte der Ferien. Erst beim Wechselmodell mit exakt gleicher Betreuung reduziert sich der Unterhalt – und zwar erheblich. Dies empfinden vor allem engagierte Väter als ungerecht. Kommt die Änderung, wird es, weil es ums Geld gibt, ein Feilschen um jeden Umgangstag geben. Denn mehr Umgang bedeutet dann keine finanzielle Entlastung mehr, sondern gleichzeitiger Unterhaltsverlust.

Einige weitere Punkte: Ein Kind, das in eine Ehe zweiter Frauen geboren wird, soll zwei rechtliche Mütter haben. Zu klären bleibt, welche Rolle der Erzeuger spielen wird. Adoptionen sollen auch außerhalb der Ehe möglich werden. Die Elternschaftsanerkennung soll vereinfacht werden. Änderungen im Namensrecht sollen kommen. Die Koalition will z.B. echte Doppelnamen einführen.

Nachdem sich in den letzten Jahren wenig verändert hat, könnte es zu Neuerungen kommen. Ob alles, was angedacht ist, „Fortschritt“ ist, wird jeder für sich selbst beantworten müssen.

Familienrecht: Was die Düsseldorfer Tabelle 2022 bringen wird

Ein unsicherer Blick in die Zukunft – neue hohe Einkommensstufen werden wohl kommen.

Einmal im Jahr erscheint die Düsseldorfer Tabelle, an der sich sämtliche Familiengericht orientieren, um den Unterhalt festzulegen.

Die nächste Auflage wird etwas zu verlängerten Tabelle enthalten.

Leichte Anhebung der Regelsätze

Die Tabelle für 2022 ist noch nicht erschienen, doch ist mit einer leichten Anhebung der Unterhaltssätze zu rechnen. Der Grund hierfür liegt im gestiegenen Existenzminimum des Kindes. Dieses beträgt im kommenden Jahr 5.460 €. Der Mindestunterhalt liegt für die mittlere Altersstufe (6 bis 11 Jahren) bei monatlich einem Zwölftel hiervon. Das sind 455 €. Für die kleineren Kinder sind es dann vermutlich 396 €. Kinder ab 12 Jahren haben einen Anspruch auf 533 €. Das ist eine Erhöhung von drei bis fünf Euro pro Monat.

Zusätzliche Einkommensgruppen zu erwarten

Spannender wird es am oberen Ende der Tabelle. Bisher endet diese bei 5.500 € unterhaltsrechtlichem Einkommen und enthält einen Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2020 (Aktenzeichen XII ZB 499/19). Die Richter halten darin eine Verlängerung der Tabelle bis 11.000 € für sinnvoll. Der Bedarf des Kindes könne schematisch mittels Tabelle geschätzt werden. Bislang musste, wer mehr als 160 % des Mindestunterhalts wollte, nachweisen, dass hoher Geldbedarf besteht.

Das heißt aber nicht unbedingt, dass je 400 € mehr Einkommen 8 Prozentpunkte mehr Unterhalt zu zahlen ist und bei 11.000 € ein Anspruch auf 272 % des Mindestunterhalts besteht. Eine solche lineare Fortschreibung wird vorgeschlagen, zwingend ist sie nicht. Der BGH sagt nämlich auch, dass Kinder nicht am Luxus ihrer Eltern teilhaben müssen. Und es ist durchaus fraglich, ob z.B. ein Zwölfjähriger wirklich 1.352 € anstatt 1.153 € mehr zum Leben braucht, nur weil das Einkommen des Zahlungspflichtigen 11.000 € und nicht mur 9.000 € beträgt. Diese Überlegungen sind auch der Grund, warum die Tabelle für 2021 noch keine konkrete Umsetzung des BGH-Beschlusses enthielt, sondern nur einen Hinweis hierauf.

BGH zum Kindesunterhalt: Zahlungspflichtiger kann auf Großeltern verweisen

Jüngste Entscheidung mit erheblicher Praxisrelevanz – Abänderungen sind möglich

Es ist grade zwei Wochen her, dass wir hier kritisch zu einer Entscheidung des OLG Dresden berichtet hatten. Der Bundesgerichtshof hat sie unerwartet bestätigt (Beschluss vom 27.10.21 – XII ZB 123/21). Der Umstand, dass die Karlsruher Richter extra eine Pressemitteilung herausgegeben haben, zeigt die Bedeutung. Seit 6.12.2021 sind nun auch die Gründe verfügbar.

Wer Kindesunterhalt bezahlen muss und arbeiten geht, darf 1.160 € für sich selbst zum Leben behalten. Bei einer Unterhaltspflicht für zwei Kinder im Teenageralter braucht der Vater bzw. die Mutter ein Nettoeinkommen von über 2.000 €, um mehr für sich zu haben. Das Kind muss sich dann an diese halten. Der BGH setzt die Grenze nun auf 1.400 € herauf, wenn es Großeltern mit gutem Einkommen gibt. Das BGB hat sich nicht verändert, sondern seine Interpretation.

Die Herausforderung: Der Unterhaltspflichtige muss den Beweis für die gute finanzielle Situation der Großeltern erbringen. Weigern sich diese, Auskunft zu erteilen, muss er sie gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen. Da es vier Großeltern gibt, kann bereits die Einholung der Auskünfte eine Herkulesaufgabe werden. Beruft sich der Unterhaltspflichtige erfolgreich auf den BGH, muss das Kind im Zweifel ein weiteres Verfahren gegen die Großeltern führen. Wenn es in Anspruch nimmt, kann es sich aber aussuchen.

Kindesunterhaltssachen werden nun in einigen Fällen deutlich komplizierter. Schnell gehen kann es bei Fällen, bei denen die die Kinder betreuende Mutter offensichtlich gutverdienende Eltern hat. Wenn diese ihre Einkommensverhältnisse nicht aufdecken wollen und die 240 € monatlich freiwillig übernehmen, kann es zügig eine Entlastung geben.

Auch bestehende Unterhaltverpflichtungen können wegen dieser neuen Rechtsprechung abgeändert werden. Eine wesentliche Veränderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlaubt entsprechende Verfahren. Wie immer werden sich die Details erst bei der praktischen Anwendung zeigen. Elternteile, die voraussichtlich noch für längere Zeit Unterhalt bezahlen müssen und eine Vorstellung der Verhältnisse in der Großelterngeneration haben, sollten überlegen, ob Sie sich den BGH zu zu nutze machen.

Ergänzung vom 06.12.2021:

Entscheidend für die Praxis sind die Ausführungen des Beschlusses. Dort heißt es:

Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch die Auswirkungen des § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB in den Blick nimmt, können Großeltern gegenüber ihren Enkeln als angemessenen Selbstbehalt den Betrag verteidigen, der auch erwachsenen Kindern gegenüber Eltern zugebilligt wird. Denn eine Inanspruchnahme wird in der Regel erst stattfinden, wenn der Unterhaltsverpflichtete sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter befindet, seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkommensniveau angepasst hat, Vorsorge für sein eigenes Alter treffen möchte oder sogar bereits Rente bezieht und sich dann einer Unterhaltsforderung ausgesetzt sieht, für die nach der natürlichen Generationenfolge die Eltern aufzukommen haben und für die er deshalb nur nachrangig haftet.“

BGH unter Randnummer 27

Diese Passage deutet darauf hin, dass die Grenzen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes auch hier geilten, also die 100.000 € Grenze, die seit dem 1.1.2020 gilt. Dieses Gesetz hat den Elternunterhalt in der Praxis weitgehend bedeutungslos gemacht, weil es kaum Kinder gibt, deren Einkünfte sich auf über 100.000 € pro Jahr summieren. Dies dürfte bei den Großeltern noch öfter gelten, da sie oftmals schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Da sich die Entscheidung des BGH auf die Zeit vor 2020 bezieht, bleibt es den Gerichten überlassen, ob sie die Vorschrift ebenso sehen.

Familienrecht: Weniger Unterhalt fürs Kind, weil die Großeltern gut verdienen?

Eine zweifelhafte Entscheidung des OLG Dresden belässt dem Zahlungspflichtigen mehr Geld
+++ Update 27. Oktober 2021: BGH bestätigt OLG Dresden (Az. XII ZB 123/21). Beschluss liegt noch nicht vor, aber Pressemitteilung +++

1.160 € – diesen Betrag darf der Unterhaltspflichtige für sich behalten. Das Dresdener OLG hat kürzlich entschieden, dass der Unterhaltspflichtige in bestimmten Fällen sogar 1.300 € behalten darf (23 UF 474/20 vom 08.02.2021 – unter Eingabe des Aktenzeichens hier abrufbar). Dieser sog. angemessene Selbstbehalt soll ihm zustehen, wenn es andere leistungsfähige Verwandte gibt.

Das OLG Dresden bei Nacht // Bild von Bruno /Germany auf Pixabay

Typischerweise zahlt der Vater den Unterhalt. Haben die Mutter oder er selbst gutverdienende Eltern, soll der Vater dem Unterhaltsanspruch entgegenhalten können, dass das Kind seinen Bedarf bei den Großeltern decken soll. Dies gilt aber nur, wenn dem Vater weniger als 1.300 € verbleiben, wenn er Mindestunterhalt zahlt.

Denkt man dies zu Ende, wird das Unterhaltsrecht ordentlich durcheinandergerüttelt. Damit der Vater seinen Einwand wirklich stichhaltig vortragen kann, muss er zuvor die Eltern auf Auskunft in Anspruch nehmen. Liefern die Eltern nicht freiwillig, muss er hierfür notfalls ein eigenständiges Gerichtsverfahren führen. Steht fest, dass die Großeltern den Unterhalt für den Enkel tatsächlich leisten können, zahlt der Vater weniger Unterhalt. Weigern sich die Großeltern die Differenz zu zahlen, müsste das Kind ein weiteres Verfahren führen und zwar gegen die Großeltern. Haben mehrere Großeltern ein hohes Einkommen, kann sogar ein Ausgleich zwischen ihnen in Betracht kommen. Es ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber dies gewollt hat.

Unklar ist auch, wie die Freibeträge anzusetzen sind, auf die sich die Großeltern berufen können. Das OLG Dresden geht von einem Freibetrag bei den Großeltern von je 1800 € aus. Das war der Betrag, der Kindern zustand, wenn die Eltern Unterhalt verlangen, z.B. weil sie ins Pflegeheim müssen. Die Grenze hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich auf ein Jahreseinkommen von 100.000 € heraufgesetzt. Ob dies auch für die hiesigen Fälle gilt, ist unklar. Die Leitlinien zum Unterhalt in Brandenburg deuten darauf hin, diejenigen in Sachsen eher nicht.

Wir raten insgesamt dazu, die Dresdner Entscheidung nicht überzubewerten.

Klarheit wird der Bundesgerichtshof bringen. Der Fall ist Gegenstand eines Rechtsbeschwerdeverfahrens. Wann der BGH entscheiden wird, ist noch vollkommen offen.

Überleitung des Pflichtteilsanspruchs auf den Sozialhilfeträger

Darf mein Pflichtteilsanspruch gegen meinen Willen eingefordert werden?

Als Sozialhilfeempfänger ist man verpflichtet, Einkommen und Vermögen vorrangig einzusetzen. Dies gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 08.12.2004 (Az. IV ZR 223/03) auch für den Pflichtteilsanspruch. Sobald Ihnen ein Pflichtteilsanspruch zusteht und Sie Sozialleistungen erhalten, kann der Sozialhilfeträger diesen Pflichtteilsanspruch auf sich überleiten. Das bedeutet, dass der Sozialhilfeträger diesen Anspruch in eigenem Namen geltend macht. Er zieht dieses Geld bei der Berechnung Ihrer Sozialleistungen heran. Dadurch kann Ihr Anspruch auf Zahlung von Sozialleistungen gekürzt werden oder sogar entfallen.

Pflichtteil und Sozialamt – wie gewonnen so zerronnen // Bild von Steve Buissinne auf Pixabay

Hierbei haben Sie nicht die Wahl, ob Sie überhaupt von Ihrem Pflichtteilsrecht Gebrauch machen wollen. Der Sozialhilfeträger entscheidet selbst, ob er den Anspruch geltend macht. Mit diesem Urteil hat sich der Bundesgerichthof gegen den Grundgedanken des § 852 ZPO gewandt, nach dem ein Pflichtteilsberechtigter über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs selbst entscheiden darf. Denn solange der Anspruch nicht vertraglich geregelt oder rechtshängig ist, kann er auch nicht gepfändet werden. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass dem Sozialhilfeträger als „Helfer“ des Sozialhilfeempfängers eine andere Rolle als anderen Gläubigern zukommt. Diese Entscheidung wird von vielen Seiten kritisiert. Sie benachteiligt andere Gläubiger, und dem Pflichtteilsberechtigten die Wahl genommen wird, den Anspruch nicht geltend zu machen.

Im Ergebnis führt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dazu, dass der Sozialhilfeträger gegen Ihren Willen Ihren Pflichtteilsanspruch gegen den Erben geltend machen kann. Beachten Sie dies bei der Errichtung von Testamenten.

Die Mitgift und der Pflichtteil

Ist eine Mitgift eine Schenkung?

Dass Zuwendungen des Erblassers, mit denen dieser sich arm schenkt, den Pflichtteilsanspruch eines enterbten Kindes zumeist gar nicht reduzieren, ist hinlänglich bekannt.

Hartnäckig hält sich aber der (Irr-)Glaube, eine Mitgift oder auch ein Zuschuss zur Existenzgründung sei ja gar keine Schenkung. Deshalb sei sie eine hervorragende Möglichkeit, sein Vermögen – und damit den Pflichtteilsanspruch – zu mindern.

Zuwendungen wie die vorgenannten sind sog. Ausstattungen. Diese sind zwar objektiv unentgeltlich, gelten gemäß § 1624 BGB aber nur insoweit als Schenkung, als sie das nach den Vermögensverhältnissen der Familie entsprechende Maß übersteigen. Die Übermaßausstattung ist also in jedem Fall pflichtteilsergänzungsrelevant.

Die vergiftete Mitgift // Bild von Meik Schmidt auf Pixabay

Aber auch, wenn eine solche nicht vorliegt, ist die Ausstattung nach § 2050 Abs. 1 BGB eine ausgleichspflichtige Zuwendung. Sie wird über den „normalen“ Pflichtteil nach § 2316 BGB erfasst. Hierbei kommt noch hinzu, dass für diese Fälle die bekannte 10-Jahres-Frist mit der Abschmelzung um jährlich 10 % nicht greift.

Vermeiden Sie deshalb Ausstattungen aus pflichtteilsrechtlichen Gründen. Generell wird der Wert der Zuwendung durch Gegenleistungen gemindert, was sinnvoll ist. Für den (Rest-)Wert der Schenkung läuft dann – falls sie nicht an einen Ehegatten erfolgt – immerhin die 10-Jahres-Frist. Nach deren Ablauf spielt die Schenkung beim Pflichtteilsanspruch keine Rolle mehr.

Familien- und Erbrecht: Das planen die Parteien (Teil 3)

Serie zur Bundestagswahl –Teil 3: Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke

Im letzten Teil unserer kurzen Serie schauen wir auf zwei weitere Parteien.

Das Wahlprogramm der Grünen (272 Seiten!) enthält die Forderung zur Qualitätssicherung beim Familiengericht. Richter sollen einer Fortbildungspflicht unterliegen, und die Qualifikation der Verfahrensbeistände (sog. Anwalt des Kindes) soll gesetzlich fixiert werden. Unklar bleibt, was sich hinter der Forderung verbirgt, häusliche Gewalt bei Besuchs- und Sorgerecht zu berücksichtigen. Das geschieht heute schon. Ebenso soll die Meinung von Kindern berücksichtigt werden. Auch das ist Gegenstand des aktuellen Rechtsverständnisses. Neu wäre hingegen die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde in Kindschaftssachen zum Bundesgerichthof.

Die Grünen wollen „alle Familienformen“ im Familienrecht abbilden. Das Namensrecht soll liberalisiert werden, wobei dies nicht erläutert wird. Soziale Eltern (Gegenbegriff zu den Eltern im rechtlichen Sinne) sollen die Möglichkeit einer elterlichen Mitverantwortung bekommen (bis zu zwei weitere Elternteile pro Kind). Im Abstammungsrecht soll die Ehefrau der Mutter automatisch Co-Mutter werden. Der Geschlechtseintrag „divers“ soll Einzug in das Abstammungsrecht erhalten. Schließlich soll neben der Ehe mit einem „Pakt für das Zusammenleben“ eine neue Rechtsform geschaffen werden, um wechselseitig Verantwortung zu übernehmen.

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Noch rund 14 Tage bis zur Bundestagswahl 2021 // Bild von Michael Schwarzenberger auf Pixabay

Bei der Erbschaftssteuer wollen die Grünen „Gestaltungsmöglichkeiten“ abbauen. Die Linke wird deutlicher: Hohe Vermögen sollen stärker besteuert werden. Privilegien für das Betriebsvermögen sollen entfallen.Das Erbrecht als solches ist kein Thema, doch durch eine Veränderung der Verwandtschaftsverhältnisse wird es mittelbare Auswirkungen geben.

Im Familienrecht will die Linke ein Wahlverwandtschaftsrecht, z.B. die Mehrelternfamilie mit zwei lesbischen Müttern und zwei schwulen Vätern. Das Abstammungsrecht soll die „Anerkennung der Co-Elternschaft sowie von trans*-, intergeschlechtlichen und nicht binären Eltern“ beinhalten.

Die Philippinen kommen der Ehescheidung näher

Jetzt entscheidet das Parlament.

Immer mal wieder berichten wir das Scheidungsrecht der Philippinen und der dortige Besonderheit, dass es keine Scheidung gibt.

Nachdem mehrere Gesetzesentwürfe zur Anerkennung der Ehescheidung in das philippinische Familienrecht gescheitert sind, hat sich ein neuer Gesetzesentwurf zur Wiedereinführung der Ehescheidung bisher durchsetzen können. Der Ausschuss für Bevölkerungsfragen und Familienangelegenheiten des Repräsentantenhauses hat am 17.08.2021 einen Gesetzesentwurf angenommen. Demnächst steht die Abstimmung im Plenum an.

Scheidung in Manila? // Bild von TheDigitalWay auf Pixabay

Die sog. „absolute“ Scheidung soll eine zusätzliche Alternative für die Auflösung der Ehe auf den Philippinen sein. Sie gab es in der vorspanischen Zeit, in der amerikanischen Kolonialzeit und während der japanischen Besatzung Es bleibt jedoch noch abzuwarten, wie der Senat über den Gesetzesentwurf entscheidet.

Details finden Sie hier in englischer Sprache.

Familien- und Erbrecht: Das planen die Parteien (II/III)

– Serie zur Bundestagswahl – AfD und FDP

Im zweiten von drei Teilen werfen wir einen Blick auf die Programme der dritt- und viertstärksten Fraktionen im aktuellen Bundestag.

Die AfD möchte die Erbschaftssteuer abschaffen. Ansonsten kommt das Erbrecht nicht vor. Die familienrechtlichen Vorstellungen sind nur in wenigen Punkten konkret, orientieren sich aber am traditionellen Familienbild. Statt Kinderrechte soll eine kinderfreundliche Gesellschaft als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden. Die Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung will die AfD verändern. So sollen die Familiengerichte Kinder seltener und kürzer aus den Familien nehmen. Die Familienberatung soll stattdessen verstärkt werden. In den Jugendämtern, die stärker kontrolliert werden sollen, soll es eigene Stellen für Sanktionen geben. Vereinfachte Adoptionen sollen helfen, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu senken. Beim Umgang mit dem Kind will die AfD die Rechte und Pflichten beider Elternteile stärken. Das gemeinsame Sorgerecht nach der Geburt soll auch bei nichtehelichen Kindern automatisch entstehen. Im Scheidungsrecht sollen „schwerwiegende Verfehlungen gegen die eheliche Solidarität“ sich finanziell negativ auf den Unterhalt vor und nach der Scheidung auswirken.

Es dauert gar nicht mehr lange.

Die FDP will die Erbschaftssteuer lassen, wie sie ist. Veränderungen wollen die Freien Demokraten hingegen im Familienrecht: Mehrelternschaften sollen rechtlich anerkannt werden. Ein Kind soll bis zu vier Elternteile im rechtlichen Sinne haben können. Die Ehefrau der leiblichen Mutter soll automatisch zweite Mutter sein. Auch unverheiratete Paare sollen die Möglichkeit zu Adoption haben. Stiefkinder sollen durch die Adoption Verwandte beider leiblichen Eltern bleiben. Das Wechselmodell soll gesetzlichen Leitbild werden.  und Großeltern sollen eine „bessere Grundlage“ für den Umgang mit den Enkeln bekommen.

Nächste Woche sind dann noch Grüne und Linke an der Reihe.